Erfahrungsbericht von Jesper Kokkendoff Jørgensen, Dänemark
»Mein Sohn Albert bekam seine Diagnose 2015. Er war damals 5 Jahre alt.
Albert hatte schon bei seiner Geburt 2009 einen schwierigen Start, er wäre aufgrund des Herzdefekts Fallots Tetralogy beinahe gestorben und wurde bereits nach nur drei Tagen am Herzen operiert, mit drei Monaten dann noch einmal. Wir waren alle in dieser Zeit traumatisiert.
In der Zeit danach haben wir Auffälligkeiten an Albert festgestellt, die wir bei den Ärzten ansprachen, aber man beruhigte uns immer wieder und sagte uns, dass seine langsame Entwicklung an seinem schweren Start ins Leben lag. Die Ärzte meinten, dass er einfach etwas länger braucht, um alles aufzuholen. Albert ging es aber nicht besser, im Gegenteil – es wurde langsam immer schlechter.
Albert war gestresst, hatte Probleme mit der Verdauung, distanzierte sich von Menschen, hatte Probleme mit plötzlichen lauten Geräuschen, wurde von Licht und beweglichen Objekten gestört.
Albert bekam die Diagnose ›Atypischer Autismus‹ mit einer Reihe von anderen Diagnosen.
Danach begann die Zeit, in der wir der Umgebung, der Familie und Freunden erklären mussten, dass Albert die Entwicklungsverzögerung nicht aufholen würde und der Abstand zu gleichaltrigen Kindern noch größer werden würde. Im Vergleich dazu war eine Herzoperation wie ein Spaziergang.
Alles war sehr unklar und nicht leicht, aber uns wurde zum Glück die humangenetische Untersuchung ›Exome Sequenzierung‹ empfohlen, der wir zustimmten. Das Resultat ›ADNP-Syndrom‹ wurde uns von einem Doktor überbracht, der nicht viel darüber wusste und uns auch nicht viel erklären konnte.
Das ADNP-Syndrom, auch Helsmoortel-van der Aa Syndrom genannt, ist eine genetische Mutation, die erst 2014 entdeckt wurde. Das Syndrom ist die Erklärung für Alberts Eigenheiten und viele seiner Herausforderungen. Man schätzt, dass es bis Ende 2019 weltweit ca. 250 Kinder gibt, bei denen das Syndrom eindeutig diagnostiziert wurde.
Nach Alberts Diagnose fanden wir glücklicherweise die Website ›Cognitive Genetics‹ der Universität in Antwerpen und dort einen Hinweis auf die amerikanische Website ›adnpkids.com‹ mit der dazugehörigen Facebook-Gruppe.
An diesem Tag lernten wir unsere neue internationale ›Familie‹ kennen, was für ein entscheidender und wegweisender Tag das war. Von diesem Tag an hatten wir Freunde, die wir bzgl. der Auffälligkeiten und Andersartigkeiten unseres Kindes fragen konnten, die uns verstanden und die von ihren Erfahrungen berichten konnten. Auch wenn wir über die ganze Welt verstreut sind, ist es so wichtig, hilfreich und auch Mut machend, das Wissen und die Erfahrungen austauschen zu können, wenn man ein Kind mit einer seltenen und schwierigen Diagnose hat.
Das Wichtigste für uns war die Hoffnung und Zuversicht. Hoffnung, dass es Forscher gab, die alles daran setzten, um mehr über ADNP zu erfahren. Hoffnung, weil diese Leute zuhörten, unsere Erfahrungen ernst nahmen, Fragen beantworteten und auch uns als Eltern befragten.
Die Aussicht auf Verbesserung/Heilung ist das, was wir suchen bzw. erhoffen. Die Hoffnung und Zuversicht auf Heilung des Gendefektes ist letztendlich das, was alle Eltern von Kindern mit extrem seltenen Diagnosen haben und an der man sich versucht festzuhalten. Genau das ist aber auch immer wieder so schwer.
Die Zusammenarbeit und der Erfahrungsaustausch von allen Familien, Professoren und Ärzten ist eine dynamische und effektive Möglichkeit, um mehr über das ADNP-Syndrom zu erfahren und zu lernen.
Das Wissen darum, dass man nicht mehr allein ist mit der Diagnose, hat uns Hoffnung gegeben. Nicht nur für unseren Albert, sondern auch für die Kinder, die noch nicht diagnostiziert wurden und für die Eltern, die immer noch auf der Suche sind nach den Ursachen der Entwicklungsstörung und dem Anderssein ihrer Kinder.
Die Forschung, die vielen Artikel und Berichte, die über das ADNP-Syndrom erstellt wurden, hat uns Hoffnung für die Zukunft gegeben.